Geschichte Südtirols
Ur- und Frühgeschichte
Foto: Wikipedia-User: 120 - CC BY-SA 3.0 Die Gebiete an der Eisack, Etsch und Rienz sind seit der Steinzeit besiedelt. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sich die Menschen zu dieser Zeit hauptsächlich im Hochgebirge bzw. oberhalb der Baumgrenze aufhielten. Seit der Jungsteinzeit sind auch die Mittelgebirgsterrassen der Haupttäler besiedelt. Der wichtigste archäologische Fund dieser Zeit ist der „Ötzi“, eine Gletschermumie, die 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde. Der erste wirtschaftliche Aufschwung setzte in der Bronzezeit ein, hauptsächlich durch Kupfervorkommen in der Region. Daraus entwickelte sich die Laugen-Melaun-Kultur in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit. Darauf folgte die Fritzens-Sanzeno-Kultur, deren Träger, die Räter, die erste namentlich genannte Bevölkerung Südtirols waren.
Antike
Das heutige Südtirol war von 59 v. Chr. bis zur Zeit der Völkerwanderung (4. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) Teil des Römischen Reiches. Aus dieser Ära gibt es nur wenige Funde römischer Siedlungen, da die Region eher als Durchzugsgebiet von und nach Norden diente. Dafür gibt es zahlreiche römische Meilensteine und Straßenstationen, wie z.B. Sebatum im Pustertal. Die Völkerwanderung, eine europaweite Flucht- bzw. Wanderbewegung germanischer Völker, führte schließlich zum Zerfall des Römischen Reiches. Auf dem Gebiet des heutigen Südtirols siedelten sich zunächst Langobarden und später Bajuwaren an.
Frühmittelalter bis Neuzeit
Strategische wichtig wurde die Region, als es Teil des Frankenreiches bzw. später Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war. Die Bedeutung geht darauf zurück, dass die Straßen nach Italien bzw. Süden durch das Gebiet führten. Im 11. Jahrhundert erhielten die Bischöfe von Trient und Brixen weite Landesteile geschenkt. Die Vögte (Grafen von Tirol) brachten das Gebiet schließlich unter ihre Herrschaft und vereinigten es mit den Gebieten nördlich des Brenners, woraus Tirol entstand. Aus dieser Zeit, insbesondere aus dem 13. Jahrhundert, stammen viele bedeutende Bauten Südtirols. Margarethe von Tirol-Görz (Margarethe Maultasch) überschrieb Tirol ihrem nächsten Verwandten, dem Habsburger Rudolph IV, der 1363 die Regierungsgewalt im Land übernahm. Bis 1918 sollten die Habsburger fast durchgehend über Südtirol herrschen. Während der Zeit der Reformation bildete sich in Südtirol die Hutterer-Bewegung heraus, die von Jakob Hutter aus dem Pustertal ausging. Aufgrund von Repressalien wanderten viele Mitglieder der Bewegung zunächst nach Mähren und später nach Nordamerika aus. 1810 fiel Südtirol erstmals gemeinsam mit Trentino an Italien, genauer gesagt an das Königreich Italien, das allerdings nur von 1805 bis 1814 Bestand hatte. 1813 wurde Südtirol wiederum von österreichischen Truppen besetzt.
20. Jahrhundert
Nach dem Ersten Weltkrieg fiel Südtirol durch das Friedensabkommen von St. Germain an das Königreich Italien, das 1861 entstanden war. 1922 beauftragte der italienische König Benito Mussolini mit der Regierungsbildung, der daraufhin seine Anhänger zum „Marsch auf Rom“ aufrief. Nach der Machtergreifung der Faschisten setzten Repressalien gegen die deutschsprachige Bevölkerung ein, deren Kultur und Sprache auch mittels italienischer Zuwanderer überlagert werden sollten. Besonders nach der Annexion des Sudetenlandes und dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, hegten große Teile der südtiroler Bevölkerung die Hoffnung, dass Hitler auch Südtirol „heim ins Reich“ holen würde. Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Im Abkommen zwischen Hitler und Mussolini 1939 wurde die so genannte „Option“ vereinbart. Dabei standen die deutschsprachigen Südtirolerinnen und Südtiroler vor der Wahl zwischen der Auswanderung in das Deutsche Reich oder der italienische Staatsbürgerschaft. Aufgrund von Gerüchten, die von der deutschen Propaganda gestreut wurden, herrschte vielfach die Angst in italienische Gebiete südlich des Po umgesiedelt zu werden, sollte man sich für den Verbleib in Italien entscheiden. Bis 1943 verließen 80.000 Menschen (etwa 86 Prozent) ihre Heimat, von denen etwa 50.000 später wieder zurück kehrten. Die Größenordnung dieser Auswanderungsbewegung überraschte sowohl Hitler als auch Mussolini.
Zwischen 1938 und 1942 wurde auch der „Alpenwall“, eine Verteidigungsanlage mit Bunkern, zum Schutz gegen das Deutsche Reich angelegt. Nachdem Mussolini 1943 gestürzt und das Bündnis mit Deutschland aufgelöst worden war, marschierte die Wehrmacht in Südtirol ein, die vielfach mit großer Begeisterung begrüßt wurde. Die Auswanderung der so genannten „Optanten“ ins Deutsche Reich, von denen viele nun zurückkehrten, und die Zuwanderung von Italienern wurden gestoppt. Zwischen den „Optanten“ und den „Dableibern“ kam es in der Folge häufig zu sozialen Spannungen.
Der Krieg hatte nun auch Südtirol erreicht und forderte zwischen 1943 und 1945 unzählige Todesopfer, darunter auch viele Juden, die in Vernichtungslager deportiert wurden. Es gab einige wenige Widerstandsgruppen, darunter den Andreas-Hofer-Bund, der 1939 nach dem Mussolini-Hitler-Abkommen von „Dableibern“ gegründet worden war. Teilweise aus dieser Gruppe formierte sich nach dem Krieg die Südtiroler Volkspartei (SVP), um die deutschsprachige und ladinische Bevölkerung in Italien zu vertreten. Zu Kriegsende am 3. Mai 1945 wehte am Brenner wieder die italienische Fahne.
Die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit Nordtirol bzw. Österreich wurde kurz nach dem Krieg bereits wieder enttäuscht. Jedoch wurden durch den Pariser Vertrag der Region Trentino-Südtirol Autonomierechte zugestanden und Österreich als Schutzmacht Südtirols anerkannt. Bis in die 1950er Jahre formierte sich eine Protestbewegung gegen den italienischen Einfluss bzw. gegen die verschleppte Umsetzung des Pariser Vertrags durch die italienische Regierung. „Los von Rom“ und „Los von Trient“ waren die Schlagworte jener Zeit. Zur Gallionsfigur der Autonomiebewegung wurde der langjährige Landeshauptmann und Obmann der SVP Silvius Magnago. Immerhin konnte die Bewegung internationale Aufmerksamkeit erringen. In der UNO Resolution von 1960 wurde festgelegt, dass der Pariser Vertrag in allen Punkten einzuhalten sei. Allerdings führte die Frustration über die zähen Fortschritte bis in die 1960er Jahre zu Terroranschlägen und Bombenattentaten, die bis in die 1980er Jahre andauerten. Dies führte sogar dazu, dass Italien ein Veto gegen einen EWG-Eintritt Österreichs einlegte.
1972 wurde ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Südtiroler Autonomie von der italienischen und der österreichischen Regierung ratifiziert. 1992 wurden die Forderungen schließlich als verwirklicht erachtet und Österreich gab den Vereinten Nationen offiziell bekannt, dass der Streit beigelegt wurde.
Inzwischen ist Südtirol eine Modellregion in Bezug auf den Umgang mit Minderheiten und kultureller Diversität.